13.11.2018

Kampanien März 2018

Die Wiederentdeckung von HERCULANEUM – POMPEJI und Johann Joachim Winckelmann

Flug Frankfurt-Neapel. Unser Städteerklärer Pietro begrüßte uns und zeigte die antike und historische Zone NEAPELS: Den Duomo San Gennaro mitreicher Innendekorationund dem sogenannten „Blutwunder“; die Galleria Umberto I, eine Einkaufspassage mit einer großen Glaskuppel aus dem 19. Jh.; die Piazza del Plebiscito zur Zeit der spanischen Vizekönige im 17. Jh. erbaut und benachbart das Teatro San Carlo, das älteste Opernhaus Europas, 1737 für den neapolitanischen König Karl errichtet. 

Mario Becker stellte uns das Museo Archeologico Nazionale in Neapel vor. Wir fanden qualitätvolle Sammlungen antiker Kunst, das Original des Alexandermosaiks,  insbesondere Ausgrabungen von Pompeji, Herculaneum, Stabiae und der Villa Oplontis.

Der Hercules Farnese, eine prächtige Marmorskulptur, die Dirkegruppe, ebenfalls eine überwältigende Steinmetzarbeit und die beiden Tyrannenmörder Hamodius und Aristogeiton.

In der Antikenabteilung sind besondere Kleinfunde aus Pompeji und Herculaneum versammelt; als Spitzenstück eine Portlandvase, von der es nur noch ein weiteres Exemplar in London, im British Museum gibt. Prachtvoll ist auch die Abteilung mit den vielen Fresken aus Pompeji, Herculaneum, der Villa Oplontis und anderer Fundorte.

An einem der nächsten Tage fuhren wir nach HERKULANEUM und besichtigen die Ausgrabungen, die uns sehr beeindruckten. Diesmal konnten wir sogar in die Bootshäuser sehen, in die sich Teile der Bevölkerung zum Zeitpunkt des Vesuvausbruchs geflüchtet hatten und die darin umgekommen sind.

Die ausgegrabenen Häuser, Teile der verkohlten Möbel und verbliebenen Fresken gaben uns einen ungefähren Eindruck des damaligen Wohnluxus der römischen Aristokratie wieder. Eine Beschreibung über Herculaneum ist im EOS Reisebericht der Exkursion Kampanien vom März 2015 zu finden.

Die regulären Grabungen, die ab 1750 begannen, förderten über 80 Skulpturen aus Bronze und Marmor, Fußböden, Fresken, erlesene Werke der Kleinkunst und eine umfangreiche Bibliothek mit etwa 1800 verkohlten Papyrirollen  in der Villa die Papiri mit einer Länge von 280 m und einer Breite von 80 m. zutage.

Am 18. März 1787 bemerkte Goethe anlässlich seines Besuches in Herculaneum, im Rahmen seiner Grand Tour: „Jammerschade, dass die Ausgrabung nicht durch deutsche Bergleute recht planmäßig geschehen, denn gewiss ist bei einem zufällig räuberischen Nachwühlen manches edle Altertum vergeudet worden“. Goethe hatte sich in seiner Italien-Reise zuerst mit den monumentalen Resten Roms beschäftigt. Da kam ihm die erst partiell ausgegrabene Provinzstadt zunächst enttäuschend vor. So spricht er von der „Kleinheit der Häuser und Enge der Straßen“ dieser „mumifizierten Stadt“.

In Herculaneum setzte man zunächst an jener Stelle an, wo man bereits fündig geworden ist und zwar an Teilen des antiken Theaters. Für die Aristokraten und solche, die es sich leisten konnten, auf die „Grand Tour“ neun Monate durch Italien zu reisen, gehörte es zum Höhepunkt der Besucher, in die durch Fackelschein erhellten „Grüfte“ hinabzusteigen. Zu ihnen gehörten Wilhelmine von Bayreuth (1755), Johann Joachim Winckelmann (1758) und u.a. Friedrich-Wilhelm von Erdmannsdorff (1766).

Grabungen an anderen Stellen der antiken Stadt führten zu weiteren Entdeckungen, u.a. die Darstellung des Chiron, der den jungen Achill das Lyraspiel lehrt.

Auf großes internationales Interesse stießen die von der „Accademia Erculanese“  in Neapel edierten acht Prachtbände, der „Antichita die Ercolano Esposte“ . In kleinen Auflagen gedruckt, entfalteten die kostbaren Bücher wegen der beigefügten Abbildungen  eine außerordentliche  Wirkung in Frankreich und in Deutschland. Für Maler und Handwerker lieferten die Folianten die benötigen Vorbilder für den neuen klassizistischen Zeitstil à la grecque. Die Innengestaltung des Schlosses in Dessau-Wörlitz  in Sachsen-Anhalt verkörpert dies sehr eindrucksvoll. Der Architekt  Friedrich  Wilhelm von Erdmannsdorff errichtete 1769 bis 1773 für das jung vermählte Fürstenpaar das früheste klassizistische  Schlossbauwerk außerhalb Englands. (Im Juli 2017 hat EOS eine Sonderexkursion „Eisleben-Wittenberg-Wörlitz und Halle“ veranstaltet. Im Reisebericht  wurde zu diesem Thema berichtet.)

 

In Dresden nahm man frühzeitig Anteil an den Entdeckungen der Vesuvstädte. Das kunstliebende Dresden war der frühe Wirkungskreis Winckelmanns, des geistigen Vaters der Klassischen Archäologie und Kunstgeschichte im deutschsprachigen Raum, der nach seiner Übersiedlung nach Rom dem sächsischen Hof ausführlich von den Ausgrabungen in Italien berichtete.  Von außerordentlicher Bedeutung für Winckelmanns weiteres Publikationsvorhaben waren die vier Reisen, die er zwischen 1758 bis 1767 nach Neapel und Umgebung unternahm, wobei er Herculaneum, Pompeji, Stabiae und weitere antike Stätten und Sammlungen besuchte. Winckelmann wurde zum unmittelbaren Zeugen der ersten großen archäologischen Entdeckungen am Golf von Neapel. Sein erster Bericht von 1762 trug den Titel „Sendschreiben von den Herculanischen Entdeckungen“ für den Kurprinzen Friedrich Christian von Sachsen. Es folgten weitere „Sendschreiben“ und „Nachrichten“ die eine einzigartige Quelle zur frühen Forschungs- und Wissenschaftsgeschichte bildeten.

 

Auch in Pompeji war die Auffindung spektakulärer Funde oberstes Ziel, als man 1748 mit systematischen Grabungen begann. Bronze- und Marmorstatuen, Goldschmuck, Silbergefäße, Kleinfunde, Alltagsgeschirr aus Bronze und Ton und vor allem kostbare Wandfresken kamen in zahlreichen Privathäusern Pompejis zutage.

1760 grub man den Theaterbereich aus und von 1764 bis 1766 legte man den Isistempel mit ägyptisches Kultgeschehen darstellenden Fresken frei. Das eigentümliche Bauwerk beeindruckte die Zeitgenossen sehr. Darunter Kaiser Joseph II sowie den jungen Wolfgang Amadeus Mozart, der mit seinem Vater 1770 Pompeji besuchte.

Möglicherweise gehen einige Darstellungen auf zeitgenössischen Stichen, dieses ersten in Europa bekannt gewordenen römisch-ägyptischen Tempels, auf die Bühnenbilder zurück, die bei der Uraufführung von Mozarts Zauberflöte 1791 in Wien zu sehen waren.

Bei sonnigem Wetter besuchten wir die historischen Plätze in Pompeji. Über die Porta Marina, ging es zur Therme Suburbane, dem Forum mit der Mensa Ponteraria zum Macellum, weiter zur Stabianer Therme, zum großen Theater und zur Gladiatorenpalaestra. Das Vettier Haus stand uns endlich offen. Wir waren recht neugierig auf die Fresken. Weiter ging es entlang der Via dell Abondanza mit vielen Geschäftsräumen, auch als Basarstraße bezeichnet, entlang einiger Thermopolia zum Amphitheater mit seiner großen Palaestra und weiter zur Necropole Nocera. In dieser Necropole steht ein Grabbau mit einer Exedra und lateinischen Inschrift auf dessen Ruhebank Goethe gesessen hat, was in einem Ölgemälde nachgewiesen ist. Der Villa dei Misteri, mit ihren prachtvollen Fresken, statteten wir auch einen Besuch ab.

 

Im Archäologischen Park von PAESTUM (ca. 35 km südl. von Salerno) betrachteten wir die drei gut erhaltenen dorischen Tempel: Für Athena, früher auch Demeter (Ceres) zugeschrieben, mit 8 x 13 Säulen,  für Poseidon (Neptun) mit 6 x 13 Säulen und für Hera (Juno) mit 9 x 18 Säulen. Wir fanden einen Teil der Wasserleitung, deren Röhren aus Schwerkeramik im Boden verlegt war. Sämtliche Tempel sind aus dem 5. Jh. v. Chr. Das benachbarte Museum beherbergt einzigartig seltene Funde wie Sarkophage, deren Innenseiten mit Fresken bemalt sind. Ein bekanntes Motiv ist das des „Turmspringers“ und das mit der Darstellung eines „Symposions“.

 

Nordöstlich von Neapel, am Zusammenfluss von Calore und Sabato liegt BENEVENT, ursprünglich eine samnitische Siedlung aus dem 8./ 7. Jh. v. Chr. Hier wurde 275 v. Chr. die dritte Schlacht zwischen König Pyrrhus von Epirus und den Römern geschlagen und endete mit einem Sieg der Römer. 268 wurde die Stadt zu einer römischen Militärkolonie umgewandelt.

Wir besuchten den Trajansbogen, ein Stadttor von Benevent, 114 n. Chr. zu Ehren Trajans errichtet. Das Entstehungsdatum ergibt sich aus der Inschrift. Als Architekt ist Apollodor von Damaskus überliefert. Es ist ein eintoriger römischer Ehrenbogen und gilt als eines der schönsten Baudenkmäler Süditaliens.

Das benachbarte Museum stellt Apulische Keramik, Glockenkratere aus Griechenland (Mischgefäße für Wein) mit Szenen aus dem Alltagsleben, aus.

 

Am Ende unserer Exkursion fuhren wir nach POZZUOLI, die 194 v. Chr. römische Kolonie wurde und als Puteoli  umbenannt wurde. Der Naturhafen galt als wichtigster Hafen zur Getreideversorgung Roms, während der republikanischen Zeit und noch später. Kaiser Vespasian ließ um 70 n. Chr. ein Amphitheater errichten für mehr als 20.000 Zuschauer. Unweit dieses Platzes befinden sich die Überreste des Macellums, des Fleisch- und Fischmarktes. Auf einem quadratischen Ausgrabungsgelände steht ein kleiner Rundtempel mit zahlreichen kammerartigen Läden und einer großen Latrinenanlage. An den drei großen stehengebliebenen Säulen sind deutlich Muschel- und Sinterspuren im unteren Drittel zu erkennen, was auf die stark schwankenden Grundwasserstände zurückzuführen ist.

 

Dieses Phänomen steht im Zusammenhang mit dem Vulkanismus und besteht aus einer periodischen Absenkung oder Erhöhung des Bodenniveaus. Es wird BRADYISMUS  genannt. Es ist nicht wahrnehmbar, aber visuell erkennbar am Meeresufer und zeigt das fortschreitende Auftauchen oder Untertauchen von Gebäuden, Küsten und Territorien.

 

Ungefähr 600 m Luftlinieentfernt, in Richtung Amphitheater, liegen die Schwefelfelder, die Solfatara. Ein Besuch dieses Gebietes, der Phlegräischen Felder war dieses Mal von der Behörde nicht erlaubt, weil sich vor einiger Zeit dort ein Unfall ereignet hatte.

Immer wieder beeindruckend ist unser Besuch in der Piscina Mirabilis, einer antiken Zisterne mit einem Fassungsvermögen bis zu 13.000 m³ Wasser, die - der Überlieferung nach -  ausschließlich dem in Capo di Miseno stationierten Kriegsflotte, der classis praetoria Misenensis, diente und durch einen nahegelegenen Aquädukt gespeist wurde. Plinius d. Ä.  war hier Flottenadmiral, als der Vesuv 79 n. Chr. ausbrach und die umliegenden Städte verschüttete.

 

Wenige Kilometer westlich, an der Küste, liegt CUMAE, ein geschichtsträchtiger Ort. Hier wurden 474 v. Chr. die Etrusker durch Hieron I. von Syrakus besiegt. Weiter ging es zur sibyllinischen Grotte und wir stiegen hinauf zur Akropolis, um uns die Grundmauern des Zeus und Apollon Tempels anzusehen. Von dort hatten wir eine prächtige Aussicht auf den gesamten Golf von Neapel und in weiter Ferner zum Cap Misenum.

Auf dem Weg zurück zu unserem Hotel in Neapel besuchten wir BAIE, den Ort, der in der römischen Antike bekannt und dessen große Thermalbäder Kur- und Heilstätten von Weltgeltung waren.  In traumhaft schöner Hanglage hoch über dem Golf von Pozzuoli  war es eine Prestigefrage hier oder in der näheren Umgebung eine Villa zu besitzen. Varro, Lucullus, Seneca, Pompeius, Kaiser Augustus, Tiberius, Caligula, Claudius, Marc Aurel und viele andere pflegten auf Landsitzen in der Gegend von Baie den typischen Müßiggang der römischen Oberschicht. Auf einem Areal von ca. 5 ha werden für Besucher im Parco Archeologico die ergrabenen Ruinenkomplexe  präsentiert. Vom 2. Jh. v. Chr. bis zum 4. Jh. n. Chr. war das Gebiet in Betrieb. Während dieser Zeit wurde neu gebaut, restauriert und abgerissen, ein Teil des Mauerwerks befindet sich unterhalb des Meeres und ist nicht ausgegraben. Die verschiedenen Bauphasen sind ineinanderverflochten.

Kaiser Friedrich II. suchte hier im 13. Jh. immer wieder Erholung und Petrarca bezeichnete Baia als eine luxuriöse Vorstadt von Rom, was wir uns gut vorstellen konnten, wenn man davon ausgeht, dass alle Villen mit Marmor verkleidet und weiß verputzt waren, dazwischen bunte Gärten prangten.