Jordanien
Nach unserem Flug von Frankfurt am Main Richtung Amman, der Hauptstadt von Jordanien, einer modernen Millionenmetropole, landeten wir auf dem Internationalen Flughafen „Queen Alia International“ voller Neugier auf die kulturhistorischen Sehenswürdigkeiten, die uns in den nächsten Tagen erwarten würden. Wir begannen unseren Rundgang mit unserem Archäologen und Althistoriker, Herrn Mario Becker und Herrn Omar, zunächst in Amman. Die Stadt hatte in ihrer Vergangenheit verschiedene Namen: Im Alten Testament ist über das biblische Rabba oder Rabbath Ammon zu lesen. Im 3. Jh. v. Chr. wurde Rabba hellenisiert und zu Ehren des über dieses Gebiet herrschenden König Ägyptens, Ptolemaios II Philadelphos, in Philadelphia umbenannt.
Unter Pompeius (106 – 48 v. Chr.), der als Wegbereiter des Römischen Reiches im Nahen Osten galt, wurde ein kommerziell orientierter Städtebund, Dekapolis, gegründet, der auch 106 n. Chr. unter Kaiser Trajan, als die gesamte Region der Provincia Arabia Petraea einverleibt wurde, Bestand hatte. Was sich heute als „antikes Amman“ darbietet, ging aus dem Kultur- und Bauboom des 2. und 3. Jh. n. Chr. hervor und wurde teilweise aus dem florierenden Handel mit Pferden sowie mit Fernhandelsprodukten finanziert.
Beeindruckend ist der Zitadellenhügel mit seinem im 2. Jh. n. Chr. wohl nie vollendetem Tempel von ca. 43 x 26.5 m. Vermutlich wurde der Tempel unter Kaiser Marc Aurel (121 – 180) errichtet.
Etwa 6000 Zuschauer umfasste das gut erhaltene römische Theater, der damaligen Stadt Philadelphia, was unter Kaiser Trajan gebaut, teilweise aus dem Felsen herausgeschlagen und noch heute, nach umfangreichen Renovierungsarbeiten, benutzt wird.
In der Nähe des Theaters befindet sich ein Odeon, dessen Bauzeit ebenfalls im 2. Jh. n. Chr. anzusetzen ist. Man benutzte das Odeon für kleinere Aufführungen wie z. B. musikalische Vorträge und Rezitationen. Nach langjährigen Restaurierungsarbeiten kann das Odeon wieder besucht werden.
Im Norden Jordaniens, etwa 40 km von Amman entfernt, liegt die antike Stadt Gerasa (Jerash). Bereits aus dem 6. Jahrtausend v. Chr., der neolithischen Zeit, sind Siedlungsspuren im Flusstal von Jerash nachweisbar. Der Ortsname Gerasa ist eine vorgriechische Prägung; er erhielt sich auch noch, als Gerasa unter dem neuen Titel Antiochia am Chrysorhoas (Antiochia am Goldfluss) zu einer Gemeinde der hellenistischen Welt aufstieg. Unbekannt ist die Gründung Antiochias. Man vermutet, dass durch die Initiative Alexander des Großen oder seines Feldmarschalls Perdikkas die Stadt gestiftet worden sei (3. Jh. v. Chr.). Gerasa gehörte ebenfalls dem unter Pompeius (106-48 v. Chr.) gegründeten Städtebund Dekapolis an und sie vermochte besonders vom „römischen Frieden“ und seiner Handelssicherheit zu profitieren. Durch Ackerbau und Erzgewinnung erlangte die Stadt wirtschaftliche Blüte. Ab der Mitte des 1. Jh. n. Chr. führte dieser Aufschwung zu reger, auch heute noch beeindruckender Bautätigkeit. Unter Kaiser Trajan entstanden im 2. Jh. gut ausgebaute Straßen nach Pella, Philadelphia, Dion u.a. Als Kaiser Hadrian im Winter 129/ 130 nach Gerasa reiste, stiftete man ihm einen dreiteiligen Ehrenbogen, dessen Tabula ansata an den Besuch des Kaisers erinnert. Das dreiteilige Tor hatte eine Breite von 25 m und ursprünglich eine Höhe von 21,5 m.
Nach erfolgten Restaurierungen in den Jahren 2003 bis 2008 rahmen wieder vier korinthische Halbsäulen die drei Durchgänge ein. Vorbei am 600 m langen Hippodrom mit zum Teil gut erhaltenen Sitzreihen, gelangten wir am Ende des südlichen Cardo, des nach dem hippodamischen Straßenrasters erbauten römischen Stadtkerns, zu einer sehr eindrucksvollen Platzanlage mit vielen aufrechtstehenden ionischen Säulen, dem Ovale Forum mit den Maßen 90 x 80 m aus dem 1. Jh. n. Chr. Grabungen aus dem letzten Jahrhundert haben ergeben, dass das Forum auf einen 6-8 m hohen Unterbau gesetzt und sehr mühevoll gemauert wurde um eine Geländesenke auszugleichen. Unklar ist, für welchen Zweck das Forum errichtet wurde. Man vermutet entweder als Handels- oder Opferplatz. Im ersten Viertel des 2. Jh. n. Chr. entstand das Macellum, ein quadratischer, säulenumstandener Platz von 50 m Länge mit einem oktogonalen Mittelpunkt, ein Lebensmittelmarkt, in dessen Kammern Kaufleute und Geldwechsler ihre festen Plätze hatten. Einige löwenfigurige Stützen für die Steintische sind noch in situ erhalten.
Nach römischer Baumanier gehörte zur antiken Stadt auch ein Theater: Etwa 3500 Besucher fanden in dem Halbkreis des Südtheaters aus dem 1. Jh. n. Chr. Platz.
In der Nähe des Macellums, am Cardo, wurde ein Prachtbrunnen, das Nymphäum 191 n. Chr. vollendet. Er zählt zu den feinsten und reichsten ausgestatteten Bauten der römischen Stadt Gerasa. Unser nächster Ausflug galt dem antiken Gadara, mit dem modernen Namen Umm Qais. Es liegt ungefähr 400 m hoch auf einem fruchtbaren Bergsattel östlich des Jordan und südöstlich des Sees Genezareth. Bereits Plinius d. Ä. (23-79 n. Chr.) erwähnte Gadara in seiner „Naturalis historia“. Gadara gehörte zu den Städten der römischen Dekapolis, die Pompeius im Jahre 64 v. Chr. für das Römische Reich eroberte.
Ehemals war es bekannt für seine beiden Theater, wovon nur noch das im 2. Jahrhundert aus Basalt entstandene Westtheater teilweise erhalten geblieben ist. Beim Probesitzen in den obersten Rängen konnten wir feststellen, dass die Basaltsitze ergonomisch geformt ausgehauen wurden, was großen Komfort bei längeren Theateraufführungen bot. Unter Kaiser Hadrian wurde eine Wasserleitung errichtet, das Gadara-Aquädukt.
Im Jordantal, ungefähr 85 km nördlich von Amman, liegt Pella, eine der zehn Dekapolis-Städte, deren Wiederaufbau 63 n. Chr. Pompeius betrieb und durch die verkehrsgünstige Lage am Schnittpunkt mehrerer Handelsstraßen, für selbständig erklärte.
Pella stand unter römischer Oberhohheit, das ihr beste Entwicklungsmöglichkeiten gab. Die Ortschaft musste weder jüdische noch arabische Übergriffe fürchten, was das Fehlen von Verteidigungsanlagen aus christlicher Zeit erklärt. Von dem sicherlich prächtig, nach römischem Baumuster, errichteten Stadtzentrum, ist heute nur noch das Odeon aus dem 1. Jh. n. Chr., das teilweise seiner Sitzbänke beraubt wurde, zu sehen. Im 5. Jh. n. Chr. errichteten christliche Architekten mit den römischen Spolien eine große dreischiffige Basilika.
Am Nachmittag gönnten wir uns ein Bad im Toten Meer und erfuhren dabei, dass die spezifische Schwere des Wassers die des menschlichen Körpers übersteigt und damit ein „Untergehen“ unmöglich ist.
Die Stadt Madaba, etwa 35 km südwestlich von Amman, ist berühmt für ihr Palästina-Mosaik mit einer Grundfläche von 6 x 15,5 m. Es stellt eine Landkarte von Palästina aus dem 6. Jh. dar und ist jetzt in der Georgskirche von Madaba zu sehen. Seit 1990 kann man im Archäologischen Park ein Teilstück des gut gepflasterten römischen Decumanus mit mosaikgeschmückten Bauruinen betrachten. An der heutigen Ausfallstraße nach Kerak wurde 1902 ein Mosaikboden eines Gebäudes entdeckt, dessen Bauinschrift das Jahr 473 der Provincia Arabia ausweist. Die Ausgrabungen haben die Grundmauern einer dreischiffigen Basilika, die Apostelkirche, mit ca. 23,5 m x 15 m und einem prachtvollen Mosaik, das Thalassa-Medaillon, freigelegt.
Petra, die Hauptattraktion unserer Exkursion, war in der Antike Hauptstützpunkt und später Königsstadt der Nabatäer, eines Wüstenvolkes, dessen Karawanen begehrte Handelsgüter aus Arabien und Indien in den Mittelmeerraum transportierten. Das früheste gesicherte Datum der nabatäischen Geschichte ist das Jahr 312 v. Chr., verbunden mit den Diadochen-Kriegen. Petra liegt auf einer Höhe von 800 und 1350 m zwischen dem Golf von Aqaba und dem Toten Meer, ca. 300 km südlich von Amman. In der Geografia des Strabon (64 v. – 23 n. Chr.) wurde Petra als punktvolle Hauptstadt der Nabatäer, einem Nomandenvolk, das durch den Handel mit Karawanen reich geworden ist, beschrieben.
Nach der Annexion unter dem römischen Kaiser Trajan (106 n. Chr.) und der Integration in die römische Provinz „Arabia“ unter Kaiser Hadrian (117 – 138 n. Chr.) erfuhr Petra eine wirtschaftliche Blüte. Zum Ende des 3. Jh. wurde sie nach der politischen Neuorganisation des östlichen Römerreichs unter Diokletian zur Hauptstadt der "Palaestina Tertia“ genannten Provinz erklärt. Heftige Erdbeben 363, 419 und 551 entvölkerten die Stadt. Hinzu kam die Verlegung der großen Karawanenwege an Petra vorbei. Die verlassene Felsenstadt ist bekannt für ihre direkt aus dem Felsen herausgemeißelten Grabtempel und Monumentalfassaden, was 1985 die Aufnahme in die Liste des UNESCO-Welterbes bewirkte. Man kann sagen, dass die Felsstrukturen von Petra „versteinerte Werke“ sind, wie eine in Fels geschlagene Ermahnung zur Tüchtigkeit und Empfindsamkeit. Wir standen staunend und bewundernd vor den monumentalen Steinmetzarbeiten vergangener Epochen. Sie verdienen unsere ganze Aufmerksamkeit, damit sie uns so lange wie möglich erhalten bleiben.