14.11.2014

Norditalien

Die Emilia-Romagna , ein Gebiet in Norditalien, deren natürliche Grenzen vom größten italienischen Fluss, dem Po, dem nördlichen Apennin und der Adria gezogen werden und deren Name „Emilia“ von der römischen „Via Aemilia“  von M. Aemilius Lepidus (Konsul 187 n. Chr.) angelegten Straße, die sich vom heutigen Rimini bis nach Piacenza erstreckt, stammt.

Wir fuhren mit unserem Bus von Frankfurt am Main, zusammen mit Mario Becker, Archäologe und Althistoriker, über die A 5 in südlicher Richtung, durch den Gotthard Tunnel und erreichten nach einigen Pausen und einer Zwischenübernachtung am nächsten Tag CREMONA, die Stadt, die durch die Geigenbauerfamilien Amati, Guarneri und Stradivari bekannt geworden ist. Nach einer Stadtbesichtigung und dem Besuch des Archäologischen Museums, in dem Exponate in einer ehemaligen Basilica wunderbar präsentiert werden, sind wir weiter nach MANTUA gefahren. Im Palazzo Ducale , einem mächtigen Ziegelbau aus dem 16. Jh., in der Camera degli Sposi , fanden wir Wand- und Deckenfresken von Mantegna und dessen Schule in höchster künstlicherischer Prachtentfaltung und außerordentlich gutem Zustand  vor. Im Untergeschoss befinden sich römische Skulpturen und Büsten von Kaisern und Philosophen.

Der Dom oder die Kathedrale San Pietro ist eine fünfschiffige Basilika aus dem 9. Jahrhundert. Das Hauptschiff wird von den Seitenschiffen durch prächtige korinthische Säulen mit Bögen und geradlinigem Gebälk abgetrennt und besitzt eine Kassettendecke, wogegen die Seitenschiffe Tonnengewölbe aufweisen.  Wir besuchten auch die Rotonda di San Lorenzo, der Überlieferung nach, die älteste Kirche von Mantua. Sie soll 1082 auf Wunsch der Markgräfin Mathilde von Canossa gebaut worden sein. Mantua besitzt auch ein entzückendes kleines Barocktheater. Der Theaterraum beruht auf einem außergewöhnlichen glockenförmigen Grundriss mit vier übereinandergestellten Logen und einer festen Bühne in dem sogar der junge Mozart musiziert haben soll.

FERRARA  ist im frühen Mittelalter entstanden und somit eine der wenigen italienischen Städte nichtrömischer Gründung. Der historische Stadtkern wurde von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannt. Wir besuchten hier das Archäologische Nationalmuseum im Palazzo Costabili, was ausgegrabene Fundstücke aus Spina, einer Gegend um die italienische Stadt Comacchio, östlich von Ferrara am Porto Garibaldi, Adriatisches Meer, aus ca. 4000 etruskischen Gräbern  zutage gefördert, präsentiert.  Die Grabbeigaben wie z. B. Gebrauchsgegenstände aus Bronze, Schmuck  aus Gold, zum Teil granuliert, Bernsteinketten, zahlreiche Vasen mit qualitätsvoller Bemalung, davon einige mit Motiven aus der griechischen Mythologie, dem Alltagsleben, Glasteller, Schalen und Ölgefäße aus Keramik, von höchster handwerklicher und künstlerischer Qualität, belegen, dass die Einwohner Spinas in beträchtlichem Wohlstand gelebt haben müssen. Zwei Einbäume, die erst in den letzten Jahren gefunden und restauriert wurden, konnten wir ebenfalls sehen.

Nordöstlich von Parma am Fluss Po liegt das Dörfchen BRESCELLO, das durch die Verfilmung der Geschichten um Don Camillo und Peppone bekannt geworden ist. Wir besuchten das kleine Filmmuseum, in dem die damaligen Requisiten zur Schau gestellt werden.

In PARMA, einer Gründung des römischen Konsuls Marcus Aemilius Lepidus (184 v. Chr.), werden im Archäologischen Museum der Stadt Fundstücke aus der Römerzeit und der Zeit vor der römischen Besiedlung durch die Etrusker gehütet. Die Nationalgalerie beherbergt eine riesige Bibliothek. Parma ist wohl bekannt durch große Künstler wie Paganini, Toscanini, Verdi. Ein Konzert im Teatro Farnese, (es befindet sich in direkter Nachbarschaft von der Nationalgalerie)  einer reinen Holzarchitektur, konnten wir uns sehr gut vorstellen. Die Cattedrale S. Maria Assunta  und das Baptisterium  aus dem 11. Jahrhundert  haben wir uns angesehen.  Beide Bauwerke sind im Innenbereich herrlich ausgemalt. Auf dem kulinarischen Gebiet ist Parma durch den Schinken und die weltgrößte Nudelfabrik Barilla populär.

In der frühen und hohen Kaiserzeit war RAVENNA  eine von Wasser umschlossene Lagunenstadt. 88 v. Chr. erhielt die Stadt römisches Bürgerrecht. Kaiser Augustus machte den Militärhafen von Classe vor der Stadt zum zweitgrößten Flottenstützpunkt des Römischen Reiches (der größte Kriegshafen war Misenum). Von 402 bis 476 war Ravenna Hauptsitz der weströmischen Kaiser. Auch Theoderich der Große residierte hier. Sein Mausoleum, ein zehneckiger Bau mit zwei Geschossen und einem Deckstein aus Istrianischem Marmor von über 300 Tonnen ist aus zahlreichen fugenlos zusammengesetzten Steinblöcken errichtet. Die zweite Etage beherbergt einen riesigen Wannensarkophag aus Porphyr . Das Mausoleum ist eins von acht Monumenten, das zum UNESCO Weltkulturerbe allein in Ravenna  gehört.

Wir besuchten die Basilika San Vitale, ein Meisterwerk der byzantinischen Kunst in Italien aus dem 6. Jh. und waren sehr beeindruckt von den prächtigen Mosaikbildern und Wandmalereien. Sie steht im Mittelpunkt Ravennas, die nach dem Aufstieg zur Zeit Kaiser Augustus und dessen Gründung des Hafens Classis als römischen Flottenstützpunkt im östlichen Mittelmeer, in der Kaiserzeit große Bedeutung einnahm, dank ihrer strategisch günstigen Lage zum Adriatischen Meer, dem Orient und den wichtigsten Straßen, die von Rom über den Apennin zogen.

In direkter Nachbarschaft zur Basilika San Vitale befindet sich das Mausoleum der Galla Placidia, wahrscheinlich um 450 erbaut. Das Innere ist reich und kostbar mit Marmor und qualitätsvollen Mosaiken ausgestaltet. Die Kuppel mit indigoblauen Mosaiken belegt, unterbrochen von goldenen Sternen, einem Sternenhimmel gleich, hinterließ einen unvergesslichen Eindruck. Auch dieses Monument gehört zu den acht in Ravenna gelisteten UNESCO Weltkulturerbestätten. 

Der Nationaldichter Dante  hat hier in Ravenna, nach Vollendung seiner „Göttlichen Komödie“ seine letzte Ruhe gefunden. In einem Tempelchen wird seiner gedacht. Anlässlich seines 600jährigen Todes wurde diese Gedenkstätte 1921 mit Marmor verschönert.

In der Nähe von Forli am Fluss Savio liegt die kleine Gemeinde SARSINA.  Im 4. Jh, v. Chr. begannen die Umbrer mit einer Siedlung. Unter dem Einfluss Roms wurde die Stadt 266 v. Chr. zu deren Bundesgenossin.  Neben gut erhaltenen Fußbodenmosaiken, konnten wir im örtlichen Museum auch pompöse römische Pfeilergrabmäler (ähnlich wie das des Poblicius im Röm. Germanischen Museum in Köln) ansehen. Ferner  beinschriftete Grabstelen  und Grabaltäre.

Die Hauptstadt der Emilia-Romagna BOLOGNA, seit dem 11. Jahrhundert  Universitätsstadt, beginnt vermutlich als etruskische Gründung mit dem Namen  Felsina im 6. Jh. v. Chr. 191 v. Chr. wurde die Stadt von den Römern erobert und 189 v. Chr. als BONONIA römische Colonia. Durch den Bau der Via Aemilia 187 v. Chr. unter dem römischen Konsul M. Aemilius Lepidus wurde Bononia zum Verkehrsknotenpunkt. Beeindruckt waren wir von der Basilika San Petronio mit ihrem Meridian, in dem die Strahlen der Sonne durch eine Öffnung im Dach eindringt, die um die Mittagszeit über die Marmorfußböden gleiten und eine präzise Zeitmessung erlauben. Die Basilika aus dem 14. Jh. sollte noch viel größer werden als alle bis dahin errichteten Gotteshäuser Italiens. Doch der Stadt ging später das Geld aus und so begnügte man sich mit einer Höhe von 45 Metern, einer Länge von 130 und einer Breite von 58 Metern. Das dreischiffige Innere wird von zehn mächtigen rosa Pfeilern gestützt.

Im Archäologischen Museum von Bologna fanden wir eine Unmenge Fundstücke aus der Frühzeit Bolognas seit dem 10. Jh. v. Chr. der Villanovakultur mit ihrer schwarzen Bucchero-Ware, in die Verzierungen entweder eingeritzt, eingedrückt oder aufmodelliert wurden, Keramik aus etruskischer Zeit und Spitzenstücke schwarz- und rotfiguriger Vasen um 400 n. Chr..  Das Glanzstück dieses Museums ist ein Marmorkopf der „Athena Lemnia“. (Wahrscheinlich von dem griechischen Bildhauer Pheidias).

Die Wahrzeichen der Stadt Bologna sind die beiden Türme Torre degli Asinelli und  Torre Garisenda. Sie dienten, wie die meisten anderen, zum Schutz vor Feinden und sollten die soziale Stellung der Eigentümerfamilien demonstrieren.

Sie sind mit wenigen anderen Türmen die letzten Überbleibsel von 180 Geschlechtertürmen aus dem Mittelalter.

Südlich von Bologna, am Fluss Reno, liegt die Necropoli Etrusca MARZABOTTO. Diese etruskische Stadt ist die besterforschte Stadt auf diesem Gebiet. Die Toten wurden ausschließlich mit ihren Körpern bestattet und nicht verbrannt. Im kleinen Museum sind viele Grabbeigaben und Votivgaben aus dem Wasserheiligtum ausgestellt.

Eine Überraschung wurde uns im Archäologischen Museum in COMACCHIO bereitet: Hier ist eine komplette Ladung eines römisches Schiffes, das Ende des 1. Jhs. n. Chr. gestrandet war, konserviert und ausgestellt. Darunter befinden sich Objekte aus Leder, wie Bekleidung, Taschen, Schuhe, kleine Glasgefäße, Keramikschalen und kostbare eierschalendünne Becher aus Keramik mit

geometrischer Dekoration, die A C O – Becher. Ferner befanden sich an Bord dieses Schiffes Bleibarren und Amphoren. Comacchio selbst, ein kleines Örtchen,  in der Nähe vom Adriatischen Meer, an einer Lagune gelegen, ist auf mehrere Inseln gebaut, die mit kleinen Brücken verbunden sind. So ergibt sich ein venezianisches Flair.

Bereits auf dem Heimweg hatte Herr Becker den Besuch der Gletschermumie, des „Ötzi“ in Bozen vorgesehen. Die Mumie wurde 1991 nahe dem Hauslabjoch in den Ötztaler Alpen in 3210 m Höhe gefunden. Es ist die einzigste Feucht-Leiche, die gefriergetrocknet ist zusammen mit allen menschlichen Organen.

Neben der kompletten Leiche sind auch alle Bekleidungsgegenstände, sein Bogen, zwei Pfeile, sein Kupferbeil, ein Dolch und zwei zylindrische Dosen aus Birkenrinde mit Holzkohlenfragmenten, die evtl. zum Feuermachen dienten, aufgefunden worden. Die pathologische Untersuchung des Ötzi hat ergeben, dass er möglicherweise durch eine Pfeilspitze in seiner linken Schulter gestorben ist. Mithilfe der Radiokohlenstoffdatierung wurde der Todeszeitpunkt  zwischen 3359 und 3105 v. Chr. bestimmt. Sein Alter beträgt damit ca. 5250 Jahre.

Als „Zugabe“ oder Bonbon  sind wir noch in Weißenburg/ Bayern vorbeigefahren, um das Museum vor seiner Renovierung, die erst in 5 Jahren fertig werden soll, noch einmal zu besuchen und für längere Zeit Abschied zu nehmen von den siebzehn qualitätsvollen Bronzegüssen aus einem 1979 wiederentdeckten Schatzfund des Hermes, des Apollo mit seiner Kithara, der Hera und anderer.

Die Bronzestatuetten römischer Götter stammen aus dem 2. Jh. Der Schatzfund beinhaltete noch weitere kunstvoll gearbeitete Objekte, darunter einen Klappstuhl, eine Waage und Bronzelampen.

Ein lohnender Besuch für dessen Anregung und Ausführung wir sehr dankbar sind.