Kampanien 2015
Einige Zeit nach der Landung auf dem Flughafen von Neapel wurden wir von Herrn Mario Becker, Archäologe und Althistoriker zusammen mit Herrn Raffaele Falco zum Museum „Antiquarium Nationale di Boscoreale“ gebracht um uns wertvolle Funde aus der Umgebung, aus Pompeji und Herculaneum anzusehen. Neben prächtigen Fresken, einer erhaltenen Getreide- und Ölmühle sahen wir Hausgegenstände und Lebensmittelprodukte, die durch die Asche bzw. den pyroklastischen Strom des Vesuvausbruchs 79 n. Chr. verschüttet bzw. konserviert wurden.
Am nächsten Tag fuhren wir mit einer Fähre zur Insel Capri und hatten Gelegenheit, nach einem einstündigen Aufstieg, die Villa „Jovis“ des Kaisers Tiberius (42 v. – 37 n. Chr.) zu besuchen. In schwindelerregender Höhe über dem Meer erhebt sich eine gut erhaltene antike Anlage mit großer Zisterne und Tonnengewölben, mehreren untereinander verbundener Kammern und einer Thermenanlage.
Einige Reiseteilnehmer besuchten die Villa des Axel Munthe.
Im Archäologischen Park von Paestum (Poseidonia) betrachteten wir die drei gut erhaltenen dorischen Tempel zu Ehren Hera, Athena und Poseidon. Das benachbarte Museum beherbergt einzigartige Kistengräber mit Freskomalerei verzierten Wänden und Deckeln, die um 470 v. Chr. zu datieren sind; u.a. die bekannte Grabplatte des „Springers“. Eine andere Darstellung zeigt eine Symposionszene. Auf der Heimfahrt konnten wir einen malerischen Sonnenuntergang über dem Golf von Neapel erleben, den William Turner nicht schöner hätte gestalten können.
Herculaneum wurde durch das Auswurfmaterial des Vesuvs, einer schlammigen und zähflüssigen Masse, ein Konglomerat aus Asche und Bimsstein, die sich mit Regenfluten mischte und nach ihrer Erkaltung zu einer felsharten Schicht trocknete, überdeckt. Deshalb haben sich hier Funde bestens erhalten, insbesondere organisches Material. Die Verschüttung in Herculaneum war teilweise bis zu 20 Metern hoch und versiegelte die Stadt vollends. In der Nähe befindet sich die Villa Oplontis der Poppaea Sabina, (30-65 n. Chr.), der zweiten Frau Kaiser Neros. Die Villa Oplontis, ist ein mit sehr schönen Fresken geschmücktes Anwesen und einem Schwimmbad von beachtlicher Länge, dessen Wasserbecken noch nicht vollkommen ergraben wurde.
Am Abend im Hotel hat einer der Mitreisenden, Herr Dr. Michael Wuttke (Vulkanologe), einen Vortrag über die Tätigkeit von Vulkanen, insbesondere über den Vesuv gehalten: Der Vesuv bestand bis zu seinem gewaltigen Ausbruch 79 n. Chr. aus einem großen ringförmigen Krater mit einem Zentralkegel. Während des Ausbruchs explodierte die Spitze des Kegels und es entstand zusätzlich die Somma-Caldera. Die vulkanische Erde ist sehr fruchtbar. Obwohl das Umfeld des Vulkans unberechenbar ist, bauen die Golfbewohner hier landwirtschaftliche Güter an, die sehr gut gedeihen.
Baia (Baiae) war in der Römerzeit bis ins 3. Jh. n. Chr. für die Aristokratie und die Angehörigen des Kaiserhauses eine Prestigefrage, hier oder in der näheren Umgebung eine Villa sein Eigentum zu nennen. Man pflegte hier den typischen Müßiggang der römischen Oberschicht. Wir sahen einige freitragende Kuppelbauten mit erheblichem Durchmesser zwischen 21 und 29 m aus dem 1. Jh. n. Chr., die als bautechnische Pioniertaten galten. Das Pantheon in Rom, unter Marcus Vipsanius Agrippa, nach Feuer und Blitzschlag wieder aufgebaut (um 100 n. Chr.), wurde immer wieder mit den Kuppeln von Baiae verglichen.Vom Kastell von Baia aus dem 16. Jh. hatten wir einen beeindruckenden Rundblick über den Golf von Neapel.
Unter Kaiser Vespasian wurde in Pozzuoli (um 70 n. Chr.) ein Amphitheater für mehr als 20.000 Zuschauer erbaut. Die gewaltigen Kellergewölbe und ausgeklügelten Treppen- und Wegesysteme konnten wir gut erkennen und bewunderten die damalige Bauleistung.
Einen guten Einblick hatten wir in die 4 m unterhalb des heutigen Bodenniveaus liegenden Überreste des antiken Fleisch- und Fischmarktes, des Macellums aus dem 1. Jh. n. Chr. An den drei großen stehengebliebenen Säulen sind deutlich Muschel- und Sinterspuren im unteren Drittel zu erkennen, was auf die stark schwankenden Grundwasserstände zurückzuführen ist.
Etwas östlich von Pozzuoli, in einer Senke, liegen Schwefelfelder die Solfatara, mit ihren unheimlich zischenden Schwefelwolken ausstoßenden Fumarolen. Wir sahen bizarra, vulkanische Kristallstrukturen und wanderten unter infernalischem Schwefelgestank auf aschgrauem und schwefelgelben Boden, der bei starkem Auftreten ein dumpfes, beinahe hohl klingendes Echo entstehen ließ.
Die antike Zisterne „Piscina Mirabilis“, deren Länge 70 m, deren Breite 35 m und deren Decke von 48 Pfeilern getragen wird, konnte bis zu 13000 m³ Wasser fassen, sorgte bei uns für einen weiteren bleibenden Eindruck von den gewaltigen Baumaßnahmen der damaligen Zeit. Diese Zisterne diente – den Überlieferungen nach – ausschließlich dem in Capo di Miseno stationierten Militär und wurde durch einen eigens dafür erbauten Aquädukt bei Avellino gespeist.
Der nächste Tag unseres Aufenthaltes in Kampanien war ausschließlich Pompeji und was davon übrig geblieben ist gewidmet.
Seneca schrieb kurze Zeit nach dem schweren Erdbeben im Jahre 62 n. Chr., das große Zerstörungen in Pompeji und Herculaneum verursachte: „Sehen wir daher einer derartigen Katastrophe mutig ins Auge, der zu entwischen genauso unmöglich ist wie sie vorauszuahnen. Hören wir nicht länger auf die Flüchtlinge aus Kampanien, die nach diesem Unglück ausgewandert sind, fest entschlossen, nie mehr einen Fuß in jene Gegend zu setzen. Wer kann ihnen freilich zusichern, dass der Boden hier oder dort fester fundamentiert ist.“
Bereits 17 Jahre später, 79 n. Chr. folgte eine weitaus schlimmere Katastrophe, die jegliches Leben in den kampanischen Städten beendete. Heute geht man in der vulkanologischen Forschung davon aus, dass das Erdbeben eine Vorstufe des Vulkanausbruchs darstellt.
An der Porta Stabia begannen wir unseren Rundgang und liefen auf der Via Stabiana vorbei an der Palästra, dem Odeon, dem Theater zum Isis-Tempel; weiter an den Stabianer Thermen zum Bordell. Über die Via degli Augustali und Via del Foro zum Forumsplatz mit Kapitol, Gerichtsgebäude, Curia und weiteren öffentlichen Gebäuden. Der Via dell´Abbondanza in östlicher Richtung folgend erreichten wir das Amphitheater, eine Anlage für ca. 20.000 Zuschauer.
Vorbei an der Porta Sarno in nordwestlicher Richtung, zur Porta Nola gelangten wir zur außerhalb der Stadtmauer liegenden Nekropole mit ihren aufwendigen Grabbauten. Weiter ging es über die Porta Vesuvio und Porta Ercolano zu einer weiteren Gräberstraße. Am westlichen Ende liegt die Villa dei Misteri, die wir leider nicht besuchen konnten. Damit verabschiedeten wir uns von Pompeji und von ihren einst prächtigen Bauten.
Ein Besuch des Archäologischen Nationalmuseums in Neapel mit dem Original des Alexandermosaiks ist eine Selbstverständlichkeit. Ferner sind in demselben Museum u.a. die Dirke-Gruppe, der Doryphoros von Polyklet, der Herkules Farnes und die beiden Harmodios und Aristogeiton (Tyrannentöter) ausgestellt. Es sind allesamt marmorne Spitzenstücke. Aus der Villa die Papiri, in der Nähe von Herculaneum, stammen viele gefundene exakt modellierte Bronzestatuen, deren Schönheit und Eleganz uns verblüfft hat. Neben Wandmalereien, Mosaiken und Geschirr aus den Vesuvstätten, zeigt das Museum auch eine einzigartige „Portland-Vase“, wovon es nur noch ein Exemplar in London, im British Museum gibt.
In Capua steht das zweitgrößte Amphitheater in Italien aus dem 1. Jh. n. Chr. 40.000 Zuschauer hatten hier Platz. Hier fanden Gladiatorenspiele statt, Spartacus kämpfte hier und der Sklavenaufstand (74 v. Chr.) begann an diesem Ort. Das größte Amphitheater Italiens ist Rom, gefolgt von Capua, Pozzuoli, Pompeji, Luni, Verona und Lucca. Im benachbarten Museum bewunderten wir Goldschmuck aus dem 4. Jh. v. Chr. und eine marmorne Aphrodite nach Praxiteles.
Kurz vor unserem Abflug aus Neapel hatten wir etwas Zeit um noch einmal ins Archäologische Museum zu gehen, die exakte Modellierung der Skulpturen zu bewundern und einige Erinnerungsfotos zu machen.