24.12.2017

Wien 2017

Wien und Carnuntum

„Wien, Wien nur du allein, sollst stets die Stadt meiner Träume sein. Mein Herz und mein Sinn schwärmt stets nur für Wien, für Wien wie es weint, wie es lacht … “

Peter Alexander, Fritz Wunderlich und viele andere Interpreten haben Wien besungen, die größte Stadt Österreichs mit 1,9 Millionen Einwohnern. Berühmte Komponisten, wie Ludwig van Beethoven lebte bis zu seinem Tod in Wien. Hier entstanden die Symphonien Nr. 5 bis 8 und die Oper Fidelio.  Christoph Willibald Gluck, Wolfgang Amadeus Mozart und Franz Schubert wohnten und wirkten in Wien auch die Walzerkönige Lanner, Strauß Vater und Sohn. Ferner Karl Millöcker, Brahms und Bruckner.

Einige Architekten wie die Barockbaumeister Johann Bernhard Fischer von Erlach  (1656-1723), der für die Karlskirche und das SchlossSchönbrunn verantwortlich zeichnete mit Johann Lucas von Hildebrandt,  der den Bau des Oberen Belvedere konzipierte und Otto Wagner (1841-1918) der Architekt der Moderne, haben durch ihre Arbeiten das  Aussehen der Donaumetropole  wesentlich beeinflusst. 

WIEN, von den Römern um ca. 50 n. Chr. befestigtes Militärlager VINDOBONA an der Donaugrenze, ist eine der schönsten und meist besuchten Städte der Welt,  zusammen mit der antiken römischen Stätte CARNUNTUM, wollten wir es zusammen mit Mario Becker entdecken.

Mit der Straßenbahn fuhren wir wenige Stationen  zum Kunsthistorischen Museum  am Maria-Theresien-Platz. Kaiser Franz Joseph I. ließ den Bau mit einer prachtvollen Architektur von Gottfried Semper und Carl von Hasenauer zwischen 1871 und 1891 errichten. Die Sammeltätigkeit der Habsburger ist über Jahrhunderte gewachsen und bildete den Grundstock dieses Museums.  Es birgt eine der bedeutendsten Kunstsammlungen der Welt. Die hohen Deckengewölbe der Säle sind mit Malereien ausgestattet, die an Pompejanische Wandmalereien  erinnern. In der Antikensammlung sind einige Objekte besonders zu erwähnen: Ein Fußbodenmosaik aus dem 4. Jh. n. Chr. mit Theseus und Minotauros im Labyrinth,  ein vielfiguriger Jagdsarkophag aus dem 3. Jh. n. Chr. und der Sarkophag  mit den 9 Musen. Ferner Vasen, Bronzestatuetten, Fibeln, Glasgefäße, römische Maskenhelme, silbernes Pferdegeschirr und Goldschmuck. Versteckt in einer Ecke, hängt eine Bronzetafel mit dem ältesten erhaltenen Senatsbeschluss in lateinischer Sprache, auf die uns Herr Becker aufmerksam machte. Es ist das Senatus Consultum de Bacchanalibus. Er überliefert das Verbot der Bacchanalien, der Kulthandlungen für den Gott Dionysos/ Bacchus. Den Anhängern des Kultes wurde vor allem der Vorwurf der staatsgefährdenden Verschwörung gemacht. Der Beschluss, um 186 v. Chr. graviert, bewirkte die endgültige Auflösung der bacchischen Kultgemeinschaft. Der kostbare barocke Rahmen aus Schildpatt mit Perlmutt- und Goldintarsien enthält die lateinische Widmungsinschrift an Kaiser Karl VI aus dem Jahr 1727.

Portraitbüsten stellen römische Kaiser von Augustus,  über Trajan bis Commodus dar.

Weltbedeutend ist die Kameensammlung des Museums. Darunter auch die faszinierende Gemma Augustea  (9.-12. Jh. n. Chr.) aus einem zweischichtigen Sardonyx geschnitten, ein Prunkstück der römischen Glyptik.  Die Darstellung auf der Gemme ist eine Legitimation der Macht.  Die Vermutung, dass Dioskurides  aus Kilikien der Schöpfer der Gemma war, wird von den Gelehrten jedoch in Zweifel gezogen. Auf der 19 x 23 cm großen Prunkkamee ist der Empfang des Tiberius und Germanicus durch Augustus nach dem Sieg über die Daker und Pannonier  (10-12 n. Chr.) dargestellt. Die Gemma Augustea ist nach dem Grand Cameé in Paris der zweitgrößte erhaltene antike Kameo, hinsichtlich ihrer künstlerischen Qualität jedoch das kostbarste Kunstwerk des Kameenschnittes. Im oberen Streifen der Darstellung thront Augustus in der Tracht und Pose Jupiters; er hält in den Händen Szepter und Augurenstab. Zur Rechten des Kaisers sitzt Roma, die Schutzherrin der Stadt. Zwischen den Köpfen der beiden Figuren ist der Ziegenfisch (Capricorn),  vor einem achtstrahligen Stern auf einer Scheibe, das Sternzeichen des Augustus, zu seinen Füßen der Adler zu sehen. Augustus ist am 23. September 63 vor Chr. geboren. Der Capricorn, der Ziegenfisch, entspricht heute dem des Steinbocks (Monat Januar). Möglicherweise wurde bei der Erstellung des Horoskops auf den Zeitpunkt der Empfängnis Bezug genommen. Andere Gelehrte behaupteten, dass am 23. September der Mond im Zeichen des Capricorns stand. Die Scheibe hinter Capricorn und Stern könnte den Mond darstellen.

Die wechselnden Eigentumsverhältnisse vom römischen Kaiser Augustus bis zur Neuzeit sind spannend:

Es ist sicher, dass der Kameo einst in der kaiserlichen Schatzkammer in Rom lag. Eine gewisse Wahrscheinlichkeit hat die Vermutung, dass er nach der Gründung von Konstantinopel aus Rom in die dortige Schatzkammer übertragen wurde. 1453 verlangte die Kirche des hl. Saturninus  in Toulouse  die Rückgabe des Kameos, der zusammen mit Reliquien in die Hände von zwei Kaufleuten aus Toulouse gekommen war. 1470 bemühte sich Papst Paul II. die Gemma zu bekommen. Das Domkapitel lehnte jedoch ab. 1533 verließ eine Delegation mit der Gemma Toulouse in Richtung Marseille um sie dem Papst als Geschenk zu überreichen. Franz I. traf den bereits abgereisten Papst jedoch nicht und dadurch wurde die Gemma nach Fontainebleau verbracht, wo sie im Inventarverzeichnis mit der Nr. 379 aufgeführt ist. 1590 wurde Fontainebleau während der Hugenottenkriege geplündert und bei dem Durcheinander verschwand auch die Gemma und tauchte erst wieder in Venedig, einem großen Umschlagplatz für Kostbarkeiten jener Zeit auf. Rudolf II. von Habsburg, ein leidenschaftlicher Sammler, erwarb die Gemma. Sie blieb von nun an in Wien und bekam eine neue Fassung.

Die Kunstkammer, die im Frühjahr 2013 nach umfassender Sanierung wieder eröffnet wurde, beherbergt atemberaubende Schätze, u.a. ein Meisterwerk der Goldschmiedekunst aus dem 16. Jh., das wir uns unbedingt ansehen mussten: Es ist das größte Meisterwerk der Goldschmiedekunst der Renaissance. Das berühmte goldene Salzfass (Saliera) des Benvenuto Cellini aus Gold und Elfenbein. 

Wir besuchten auch das Naturhistorische Museum , das dem Kunsthistorischen Museum gegenüberliegt und ebenfalls von Gottfried Semper und Carl von Hasenauer entworfen und 1881 fertigstellt wurde. Das Museum birgt ca. 30 Millionen Sammlungsstücke. U.a. eine Meteoritenkollektion mit einem 900 kg schweren Eisenmeteorit aus Australien, Edelsteine aus aller Welt, Gold in Rohform und Platin. Ferner Fossilien,Versteinerungen und fossile Skelette der Riesenechsen. Herr Becker machte uns auf das bedeutendste Exponat aus der Urgeschichte aufmerksam: Es ist ein 11 cm hohes Kalksteinfigürchen der Venus von Willendorf, ein Symbol der weiblichen Fruchtbarkeit, um 25.000 v. Chr. entstanden, eine der ältesten bekannten Menschenplastiken der Welt.

Im 1. Wiener Bezirk, dem jetzigen „Hoher Markt“, befand sich das römische Forum und darauf stand ein Palast des Festungskommandanten von Vindobonna,  was 97 n. Chr. als Legionsstandort errichtet wurde. Von 97-101 war hier die Legio XIII Gemina und von 101-114 die Legio XIIII Gemina Martia Victrix stationiert. Die Legio X Gemina wird 114 in Vindobonna  stationiert und bleibt bis zum Ende der Römerherrschaft. Als Zeugnis dienen uns u.a. die gestempelten Ziegel dieser Legionen. Die Anlage wurde 1945 verschüttet. Beim Wiederaufbau des Wiener Hohen Marktes wurden unterirdische Ausgrabungen römischer Ruinen zum Römermuseum erweitert. Wir besichtigten das Museum, in dem die Fundstücke ausgestellt sind wie: Götterstatuen, Gebrauchsgegenstände aus Terra sigillata und Alltagsgegenstände. In den freigelegten römischen Ruinen konnten wir die Hypokausten und die Wand- und Deckenheizung (Tubulatio) gut erkennen.

Zurück ins Oberirdische und in die Gegenwart auf dem Hohen Markt, fiel unser Blick auf eine Kunstuhr der Anker-Versicherungsgesellschaft, an der Ostseite des Platzes. Die 1914 geschaffene Spieluhr lässt stündlich historische Berühmtheiten zu Musik  paradieren: Kaiser Mark Aurel, Kaiser Karl der Große, Maria Theresia mit Kaiser Franz I. u.a.

Etwa 40 km in südöstlicher Richtung von Vindobonna befindet sich ein weiteres Legionslager: CARNUNTUM, das sich auf einer Fläche von über 10 km²  erstreckte. Das Lager war auch Kreuzungspunkt zweier europäischer Haupthandelswege: der Donau als Wasserweg von West nach Ost und der Bernsteinstraße von der Ostsee nach Italien. Parallel zur Errichtung des Legionslagers entstand die unregelmäßig angelegte Lagervorstadt und die Zivilstadt. Carnuntum und Vindobonna sind während der Markomannenkriege  166-180 Ausgangspunkt der römischen Feldzüge. Unter Kaiser Konstantin I. wandelt sich das Legionslager 306-337 zu einer Festungsstadt. In der Mitte des 4. Jhs. n. Chr. stürzten die Mauern des Kastells in Folge eines starken Erdbebens ein. Das Beben war so stark, dass dabei die Hohlräume der Fußbodenheizung  mit Schutt ausgefüllt wurden. Da es nach Ende 430 keine kontinuierliche  Weiterbesiedlung gab, ist der Großteil der römischen Stadt nicht überbaut. Einige Bereiche der antiken Stadt sind heute teilrekonstruiert und als Archäologischer Park Carnuntum zu begehen. In der Zivilstadt lag auch ein Amphitheater mit Nebengebäuden. Das ovale Bauwerk entstand bereits im 2. Jh. n. Chr. und konnte – nach Schätzungen – etwa 13.000 Besucher fassen. Mittels Luftbildaufnahmen wurde eine Gladiatorenschule festgestellt. (Quelle: Carnuntum, Franz Humer, Verlag Philipp von Zabern). Wir spazierten vom Amphitheater in südlicher Richtung zu den Resten des Heidentores. „Die am bekanntesten römischen Bauwerk Österreichs in den Jahren  1998 bis 2001 durchgeführten Untersuchungen, Sanierungs- und Konservierungsmaßnahmen ergaben, dass das Heidentor ursprünglich ein 15 m hoher Quadrifrons, ein Bogenmunument mit vier Durchgängen und darüber liegender Attika war. Auffällig ist die vielfache Wiederverwendung von Werkstücken älterer Bauten. Dabei handelt es sich meist um Weihesteine aus Heiligtümern, die durch entsprechende Bearbeitung mit geraden Kanten zugerichtet wurden. Dieser spätantike Ehrenbogen wurde wahrscheinlich in der Regierungszeit von Kaiser Constantius II. (reg. 337-361 n. Chr.) errichtet.

Im Archäologischen Park Carnuntum  wurden neben der Wiederherstellung dreier römischer Pflasterstraßen die Errichtung von Teilrekonstruktionen von Wohn- und Wirtschaftsgebäuden am Originalstandort getroffen. Zwei private Wohnhäuser, ein Stadtpalais und eine öffentliche Badeanlage wurden gebaut. „Sämtliche Arbeiten beim Bau der Therme wurden in Hinblick auf Material und Technik unter Anwendung antiker Bautraditionen durchgeführt. Es kamen Nachbauten originaler römischer Werkzeuge der Stein- und Holzbearbeitung, welche im Museum Carnuntinum erhalten sind, zum praktischen Einsatz. Jeder einzelne Stein der Außenmauern wurde mit der Hand zu Bruchsteinmauerwerk nach antikem Muster zusammengefügt. Die gesamte Dachfläche wurde mit eigens dafür hergestellten Ziegeln (tegulae, imbrices) eingedeckt.

Sämtliche Baderäume wurden mit funktionstüchtigen Hypokaustheizungen ausgestattet, Fenster- und Türstöcke manuell in antiker Handwerkstradition von regionalen Handwerkern zugerichtet und eingesetzt. Auch Küche, Wasserbecken und Wasserleitungstechnik wurden voll funktionstüchtig  wiedererrichtet.“  Wir bekamen einen guten Einblick in die römische Lebensart vom 1. bis zum 4. Jh. nach Chr.

„Die modellhafte Errichtung der Wohnhäuser und der Therme in antiker Bautechnik und Handwerkstradition am Originalstandort stellt auch international ein Novum dar. Auf Basis der historischen Quellen entstand hier die Rekonstruktion eines römischen Stadtviertels der ehemaligen Provinzhauptstadt Carnuntum nach mehr als 1600 Jahren.
Quelle: CARNUNTUM Wiedergeborene Stadt der Kaiser; Franz Humer Hrsg., Philipp v. Zabern Verlag

Der Wiener Zentralfriedhof liegt recht weit außerhalb, im 11. Bezirk. Wir haben uns die einzigartigen prunkvollen Grabmäler u.a. von Beethoven, Schubert, Brahms, Millöcker, Joh. Strauss und Mozart angesehen. Das Grabmal von Udo Jürgens, ein mit einem weißen Tuch verhangener Flügel, alles aus Marmor, stellt eine Besonderheit dar.

Mit einem gemeinsamen römischen Essen – das Essen bezieht sich auf die kulinarischen Köstlichkeiten der Küche und nicht auf die Lagerung der Gäste auf einer Kline -  schloss diese interessante Exkursion, gespickt mit atemberaubenden Kunstschätzen der Wiener Museen und dem wiedererwachten Verständnis eines römischen Heerlagers durch die Rekonstruktionen in Carnuntum.