Kleinasien & West-Türkei - März 2019
Die wohl schönste Prunkfassade, die es auf dieser Exkursion zu sehen und zu bewundern gab, hat uns Mario Becker gleich zu Beginn vorgestellt:
Es ist die CELSUS-BIBLIOTHEK aus dem Jahr um 117 n. Chr. Ihren Namen erhielt sie von Tiberius Julius Celsus Polemaeous, der zwischen 105 und 107 n. Chr. in EPHESOS Prokonsul war. Er verstarb 70-jährig und sein Sohn, Tiberius Julius Aquila, ließ dieses Bauwerk als Grabmal errichten. Der Sarkophag mit den sterblichen Überresten befindet sich unter der Hauptapsis der Bibliothek.
Wir stiegen neun Stufen hinauf zum Podium, auf dem die Bibliothek erbaut wurde. An der zweistöckigen Fassade bilden korinthische Säulen reichlich ausgeschmückte Tore. In den Nischen der unteren Stockwerke stehen Frauenstatuen. Sie verkörpern die Bildung, die Rechtschaffenheit, Tugend und Weisheit. Wir betraten den Hauptraum. An den Wänden der Bibliothek befanden sich Nischen für Buchrollen. Die Celsus-Bibliothek war in der Antike eine von den wichtigsten Bibliotheken neben Alexandria und Pergamon.
Wir liefen hinauf auf der Kuretenstraße um zu den Hanghäusern zu gelangen. Unter den Marmorplatten dieser Straße wurde die Kanalisation verlegt. Dieses Mal nahmen wir uns Zeit, die freigelegten Hanghäuser zu besuchen, in denen erstaunlich gut erhaltene Fresken und Mosaikbögen gefunden wurden. Wir bekamen einen umfassenden Eindruck wie die Wohlhabenden in der Antike ihre Anwesen einrichteten: Mit Fußbodenheizung, fließendem Wasser und einem Thermalbad. Solch eine Villa gehört in die Kategorie „Villa urbana“.
Gegenüber den Hanghäusern wurde 1959 der Hadrianstempel aus dem 2. Jh. n. Chr. ausgegraben. Die korinthische Fassade hat einen Vorhof mit einer Stirnseite. Dahinter befindet sich ein schmaler Raum. Zu beiden Seiten des Eingangs zum Hauptgebäude waren Friestafeln und Reliefs von der Legende über die Gründung der Stadt Ephesos angebracht, nachdem zuvor das Orakel von Delphi befragt wurde: Ein Fisch und ein Wildschwein werde den Ort den Siedlern zeigen. Als sie eines Tages einen Fisch grillen wollten, sprang dieser vom Rost und setzte durch die mitgerissene Kohle einen Busch in Brand, unter dem sich ein Wildschwein versteckt hatte. Es rannte auf und davon und kam erst an dem heute verlandeten Fluss zum Stehen und hier errichteten die Siedler die neue Stadt.
Ephesos hatte einen Hafen, der im Jahr 61 n. Chr. ausgehoben wurde und für den Handel von großer Bedeutung war. Eine 530 m lange Straße, die sich vom Hafen zum Theater erstreckte, mit Marmorplatten belegt war, an deren beiden Seiten sich Säulengalerien und Geschäfte reihten, führte zum Theater, das über 20.000 Zuschauern Platz bot. Aus Überlieferungen der Antike wissen wir, dass die Hafenstraße nachts erleuchtet war. Die Stadt war eine der reichsten Städte Kleinasiens. Sie galt als Zentrum der Artemisverehrung und ihr riesiger Tempel, der 356 v. Chr. fertiggestellt war, war sichtbarer Ausdruck. Ein verrückter Mensch, Herostratos, zündete ihn an, um seinen Namen unsterblich zu machen. Heute steht auf dem Areal des Artemisions, das übrigens zu den Sieben Weltwundern der Antike zählt, eine einzige Säule, auf dem zur Zeit ein Storch sein Nest gebaut hat.
Wir besuchten das Archäologische Museum von Ephesos und konnten uns die wohl präsentierten Objekte, die aus den Ausgrabungen stammten, wie die prächtigen Marmorarbeiten über Zeus, Menander, Marc Aurel, Tiberius, Livia, Sokrates ansehen. Zwei kolossale Statuen der Artemis Ephesia waren in einem besonderen Raum präsentiert, ebenso das Modell des Artemisions.
Südlich von Izmir, an der Straße Nr. 525 liegt hoch über der Schwemmlandebene das antike PRIENE (modern Söke), das um das 4. Jh. v. Chr. von dem karischen Herrscher Maussollos neu gegründet wurde. Die neue Stadt wurde nach dem hippodamischen Prinzip angelegt. 334 v. Chr. kam Alexander der Große auf seinem Eroberungszug auch in Priene vorbei und übernahm die Baukosten des Athenatempels, von dem heute wieder 5 Säulen mit ionischen Kapitellen aufgerichtet wurden. Auf einer Ante des Tempels soll eine Bauinschrift für Alexander d.Gr. eingemeißelt sein.
Das Theater von Priene hat seine hellenistische Form bewahrt. Bemerkenswert sind die fünf prachtvoll ausgearbeiteten marmornen Ehrensessel für hohe Würdenträger mit Löwentatzen und griechischen Inschriften im Sockel .
Gegen 140 v. Chr. zerstörte eine Brandkatastrophe Teile Prienes. 129 v. Chr. kam Priene mit dem gesamten Reichsgebiet Pergamons per Testamentsbeschluss unter die Herrschaft des Römischen Reiches.
Unweit von Priene, weiter südlich, liegt die antike Stadt MILET, wahrscheinlich im 16. Jh. v. Chr. durch kretische Siedler gegründet. Neben dem bedeutenden Hafen für den Handel mit dem östlichen Mittelmeer in der Antike, der Milet wohlhabend werden ließ, ist die Entwicklung der Münzprägung, die damit den Tauschhandel ersetzte. Hier wurden die frühesten Elektronmünzen des 6. Jh. v. Chr. geprägt.
Wir besuchten die Reste der Faustina Thermen, die 164 n. Chr. von Faustina II, der Gattin von Mark Aurel gestiftet wurde und das Theater, einst unter Kaiser Trajan errichtet.
Milet war bekannt für berühmte Wissenschaftler der damaligen Zeit:
THALES (625-547 v. Chr.) Mathematik
ANAXIMANDER Erfinder der Sonnenuhr
ANAXIMENES unterschied Planeten von Fixsternen
HIPPODAMOS Stadtplaner der Antike
Das Markttor von Milet stand ehemals am Südmarkt und wurde von dem Archäologen Theodor Wiegand nach Berlin transportiert. Es befindet sich seitdem im Pergamon Museum in Berlin.
In unmittelbarer Nachbarschaft von Milet, in südlicher Richtung, liegt das antike DIDYMA mit ihrer größten antiken Tempelanlage und bedeutensten Orakelstätte Kleinasiens. Beeindruckend sind die Reliefs mit den unheilabwehrenden Medusenköpfen und die gigantischen Säulenstümpfe mit einem Durchmesser von 2 m, teils schmücken schöne Reliefs ihre Basen mit Flechtband, Mäander oder waagerecht liegenden Schuppen. Diese Basen sind erst in römischer Zeit, vielleicht unter Caligula ausgearbeitet worden. Sie durchbrechen den strengen Stil des Tempels und lassen den Unterschied zwischen der auf funktionelle Richtigkeit der einzelnen Bauglieder entwickelten
hellenistischen Architektur und der auf malerische dekorative und repräsentative Prachtentfaltung ausgerichteten römischen Architektur erkennen. Der riesige Tempel 51 x 110 m, der niemals fertig wurde, ist dem Apoll geweiht und kann auf seiner Ostseite über eine 13-stufige Freitreppe betreten werden.
Im historischen Teil von IZMIR , dem damaligen Smyrna, besuchten wir die Agora, den Platz für Versammlungen aus verschiedenen Anlässen, der Ende des 2. bis 3. Jh. angelegt wurde. Auf dem Platz steht ein Gedenkstein zu Ehren Damokharis, der ihm nach einem Erdbeben errichtet wurde. Unter der Agora entstand in römischer Zeit ein Keller in Form eines Tonnengewölbes mit exakt gemauerten Bögen und Schlusssteinen. Man nimmt an, dass diese Keller als Vorratslager dienten. Bewundernswert, dass diese Konstruktion heute immer noch stabil ist.
Wir besuchten PERGAMON, der jetzige Name ist Bergama und liegt nördlich von Izmir. Die Straße windet sich vom Zentrum Bergamas hinauf zur Akropolis. Wir sind mit der Seilbahn gefahren und hatten einen umfassenden Überblick über das Gelände. Weithin sichtbar ist das Trajaneum, den Kaiser Hadrian 113/ 114 fertig bauen ließ. Das Trajaneum entstand für den vergöttlichten Kaiser Trajan. Ein Teil der Säulenhalle und einige korinthische Säulen wurden wieder aufgerichtet und sind ein Blickfang des Burgberges. Hadrian war es, der Pergamon 123 in den Rang einer Metropolis erhob. Bekannt ist Pergamon für seinen berühmten Zeus-Altar, den der Ingenieur Carl Humann ab 1873 ausgraben und mit Genehmigung der osmanischen Regierung nach Berlin bringen ließ. 1907 wurde der Altar in einem eigens dafür errichteten Museum, dem Pergamonmuseum in Berlin, aufgestellt. Wir sahen vor Ort lediglich den zurückgebliebenen Unterbau des Altars.
Etwa 3 km entfernt von der Stadt, liegt das Asklepiosheiligtum, eine der berühmtesten Heilstätten der Antike. Im 4. Jh. v. Chr. gegründet, erlebte sie unter dem Arzt Galenos 129-199 in römischer Zeit ihre größte Blüte. Kranke und wohlhabende Heilsuchende fanden hier nicht nur eine Rundum-Versorgung, sondern auch Zerstreuung wie Bibliothek und ein Theater vor. Die teilweise wieder aufgerichteten Säulen entlang der Straße, die von der Bibliothek zum Theater führt, ließen uns erahnen, welche Pracht der gesamte Komplex ehemals hatte.
Am südlichen Fuß des Akropolishügels, im Stadtgebiet von Bergama, liegt das, unter Kaiser Hadrian gebaute Heiligtum die „Rote Halle“. Es soll ein Tempel der ägyptischen Götter, sowohl der Serapis als auch der Isis gewesen sein. In den roten Backsteinbau, der Namensgeber der Halle, wurde in byzantinischer Zeit eine dreischiffige Basilika eingebaut.
Wir besuchten TROJA, oder die Stätte, die man dafür hält. Die Geschichte und Lokalisierung ist umstritten, der Fundplatz UNESCO Welterbe. In der griechischen Antike gab es eine reale Stadt Ilion. Sie wurde damals mit dem berühmten Troja gleichgesetzt. Seit dem 18. Jh. wird vermutet, dass sich das Troja Homers auf dem Hügel Hisarlik befindet. Dort hat Heinrich Schliemann gegraben. Der Hügel besteht aus vielen Siedlungsschichten, die einen Zeitraum von mindestens 3.500 Jahre umfassen. Möglicherweise kontrollierte die Siedlung seit der Bronzezeit den Zugang zum Schwarzen Meer. Die Schiffe konnten damals noch nicht gegen den Wind kreuzen und warteten daher im Hafen der Festung Troja auf günstigen Wind. Der Wegezoll sowie die Schutzgebühren, welche die Schiffe entrichten mussten, brachte der Stadt Geld.
Schliemann fand einen Goldschatz, den er nach Griechenland brachte. Der Schatz, den er als Schatz des Priamos bezeichnete, wanderte zwischen den Weltmächten, die alle irgendwelche begründeten Ansprüche geltend machten. Zur Zeit liegt er in Rußland.
Nördlich von Izmir an der Straße 550 liegt ASSOS, eine antike Stadt, die bereits zwischen dem 9. und 7. Jh. v. Chr. besiedelt war. Seit dem 4. Jh. v. Chr. ist eine Stadtmauer nachweisbar. Ab 133 v. Chr. gehörte Assos zum Römischen Reich. Wir besahen uns den zwischen 530-520 v. Chr. errichteten Athena Tempel, dorischer Ordnung. Er liegt über 200 m hoch über dem Meer und war eine Landmarke für die Schiffe. Von der Akropolis hatten wir eine gute Aussicht und sahen die Reste der Agora, des Buleuterions, des Gymnasions und eines Theaters. Vor der Stadtmauer befindet sich eine Nekropole mit Sarkophagen, die teilweise meisterlich reliefiert sind.
Südöstlich von Bursa, in der Nähe von Kütahya, besuchten wir die Überreste der antiken Stadt AIZANOI. Ein Highlight und der Grund der weiten Busfahrt ist der besonders gut erhaltene Zeustempel von 53 x 35 m und 8 x 15 ionischen Säulen, ein Pseudodipteros. An den Wänden der Cella befinden sich Inschriften aus hadrianischer Zeit.
Das darunterliegende Kellergewölbe ist in Form eines Tonnengewölbes gebaut und ausgezeichnet gut erhalten. Forscher nehmen an, dass es ein Kultraum war für Weissagungen oder als Lager diente. Ein Theater mit einem benachbarten Stadion wurde im 2. Jh. n. Chr. in direkter Nachbarschaft errichtet. Leider haben diese Bauten bei einem schweren Erdbeben erheblichen Schaden gelitten.
Von Aizanoi fuhren wir in südwestlicher Richtung nach dem früheren SARDES. Uns erwartete ein Tempel für Zeus und Artemis mit 100 x 48 m. Die Eingänge lagen im Westen und Osten. Es gab zwei Kultstatuen. Die gut erhaltenen Säulen waren an der Längsseite einfach, nicht doppelt, daher die Bezeichnung „Pseudodipteros“. Erbaut wurde der Tempel vom 4. bis zum 2. Jh. v. Chr. Nördlich der heutigen Hauptstraße befindet sich das rekonstruierte Gymnasium aus dem 3. Jh., daneben die reich mit Fußbodenmosaiken und Intarsien an den Wänden ausgestattete Synagoge.
Tagelang waren wir eingetaucht in Areale längst vergangener Zeitalter, haben prächtige Baukunst, antike Architekturelemente, bewundernswerte Landschaften gesehen und mussten uns nun dankbar verabschieden um in die Realität zurückzukommen.