Nebra - Neue Horizonte - Oktober 2021
Wir besuchten die Landesausstellung in Halle/ Saale mit zahlreichen vor- und frühgeschichtlichen Stätten in Thüringen und Sachsen-Anhalt.
Zunächst die Himmelsscheibe von Nebra in Halle:
„Die Himmelsscheibe, soviel sei verraten, ist das Produkt einer globalisierten Welt, deren Verbindungen von Stonehenge bis in den Osten reichten …“ (Harald Meller/ Kai Michel 2018)
Reisen wir zurück in längst vergangene Jahrtausende und lassen wir uns auf den Himmelswegen in die Welt der Archäologie und Astronomie entführen. Die Himmelsscheibe von Nebra ist einer der bedeutendsten archäologischen Funde des vergangenen Jahrhunderts. Die Bronzescheibe mit Goldauflagen zeigt uns die bislang älteste Darstellung des Kosmos weltweit und ist damit ein Schlüsselfund nicht nur für die Archäologie , sondern auch für die Astronomie und die Religionsgeschichte.
Das Bildprogramm der Himmelsscheibe zeigt den Vollmond bzw. die Sonne, den Sichelmond und die Plejaden vor einer symbolischen Darstellung des Nachthimmels. In späteren Phasen wurden noch zwei Horizontbögen, die den Jahresverlauf der Sonne widerspiegeln, sowie eine Sonnenbarke hinzugefügt. Hinter diesen Darstellungen verbergen sich mannigfaltige Informationen: So sind die Endpunkte der Horizontbögen auf die Wintersonnenwende und Sommersonnenwende ausgerichtet, während die Plejaden in Kombination mit Sonne und Vollmond die wichtigen Ernte- und Aussaatdaten im bäuerlichen Jahr signalisieren. Astronomen gehen davon aus, dass es mindestens 40 Jahre kontinuierlicher Himmelsobservation bedarf, um diese plejadengestützte Schaltregel zu gewinnen. Vor 4000 Jahren herrschte im heutigen Mitteldeutschland eine schriftlose Kultur. Es ist nichts bekannt von einer alternativen Aufzeichnung, derer es aber wohl bedurft hätte, um Sternen-konstellationen über solch lange Zeiträume aufzuzeichnen.
Die Abkehr vom mobilen Wildbeutertum zugunsten sesshaften Landwirtschaften führte zur Änderung des Nahrungserwerbs und somit zum Bevölkerungsanstieg.
Himmelsscheibe von Nebra © LDA Sachsen - Anhalt / Foto: J.Liptok
Die bronzene Himmelsscheibe wurde zwischen 1800 und 1750 vor Chr. geschmiedet und um 1600 vor Chr. in der Erde vergraben. Was die Bronzescheibe zur Himmelsscheibe macht, sind die goldenen Himmelskörper, die ihre Schauseite zieren.
Eine weitere Überraschung hielt das Museum für Vor- und Frühgeschichte in Halle für uns bereit: Die Kreisgrabenanlage von Goseck, erbaut um 4900 v.Chr., die auf die Sonnenwende ausgerichtet war und 2000 Jahre älter ist, als Stonehenge. Uns wurde das Modell erklärt.
Während die mobilen Jäger und Sammler sich vor allem der Sterne zur Orientierung in Zeit und Raum bedienten, hatte für die sesshaft gewordenen Menschen die Stunde der Sonne geschlagen. Denn vom immer gleichen Orte aus betrachtet, taugt sie als Jahresuhr. Früh schon bauten die Bauern Ringheiligtümer, die Kreisgrabenanlagen. Die Holzpalisaden und Gräben besaßen Tore und Durchlässe, die auf jahreszeitliche Wegmarken der Sonne hinwiesen. Hier wurden Feste und Versammlungen abgehalten, Märkte veranstaltet und vermutlich in Notzeiten Zuflucht gesucht. Das Monument mit einem Durchmesser von rund 70 m wurde komplett ausgegraben und an der originalen Stelle rekonstruiert. Wie vor 7000 Jahren, als die Anlage von steinzeitlichen Bauern errichtet wurde, ist auch heute wieder der Lauf der Sonne in der Anlage zu beobachten. Goseck ist das „Sonnenobservatorium“.
Über Jahrtausende wechselten sich in Mitteldeutschland die Kulturen in rascher Folge ab. Zu begehrt waren die fruchtbaren Böden. Gut 1000 Jahre vor der Himmelsscheibe drangen Reiterkrieger nördlich des Schwarzen und Kaspischen Meeres nach Europa vor. Die Invasoren wurden nach ihrer Keramik benannt: Weil ihre Becher und Amphoren Muster eingedrückter Schnüre trugen, benannte man sie Schnurkeramiker.
300 Jahre später gesellte sich eine zweite Kultur hinzu. Ihre Trinkgefäße hatten die Form einer Glocke. Sie waren die Glockenbecher.
Die Schnurkeramiker und die Glockenbecherleute lebten friedlich in Mitteldeutschland miteinander. Sie verschmolzen über Jahrhunderte hinweg zu einer neuen Kultur: zu Aunjetitz. (Sie ist benannt nach einem böhmischen Dorf). Entsprechende keramische Exponate wurden uns beim Besuch des Museums für Vor- und Frühgeschichte in Halle präsentiert.
Südlich von Magdeburg, nur wenige Kilometer von der Elbe entfernt, entdeckten Archäologen die Überreste eines mehr als 4.000 Jahre alten Kultortes: das Ringheiligtum Pömmelte. Das rekonstruierte Bauwerk besteht aus verschiedenen hölzernen Palisadenringen, Gruben und Wällen. Am Ende der Steinzeit und zur beginnenden Bronzezeit wurde die 115 m große Anlage als zentrales Heiligtum verschiedener Kulturen genutzt. Das Bauwerk besteht aus verschiedenen hölzernen Palisadenringen, Gruben und Wällen. Am Ende der Steinzeit und zur beginnenden Bronzezeit wurde die 115 m große Anlage als zentrales Heiligtum verschiedener Kulturen genutzt.
Das Ringheiligtum Pömmelte wurde uns am Modell vorgestellt.
Südlich von Goseck liegt Naumburg und da bot es sich an, dass wir den Naumburger Dom besuchten. Der Dom zählt zu Kulturdenkmälern des Hochmittelalters. Seit 2018 gehört er zu UNESCO Weltkulturerbe. Begonnen wurde der Bau um 800 im romanischen Stil, später kamen auch gotische Einflüsse hinzu. Bekannt wurde der Naumburger Dom durch eines der bedeutendsten plastischen Bildwerke der deutschen Gotik: Durch die Uta von Naumburg, eine der 12 Stifterfiguren. Die Steinfigur wurde Mitte des 13. Jhs. vom so genannten Naumburger Meister geschaffen und befindet sich im durch den Lettner abgetrennten Westchor des Doms.
Zwischen Dessau und Wittenberg liegt das UNESCO Welterbe Gartenreich Dessau-Wörlitz. Das Schloss von 1769 bis 1773 von Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff errichtet, war der Sommersitz des Fürsten Franz (Fürst Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau). Es gilt als frühestes klassizistisches Schloss auf dem europäischen Festland ganz im Sinne von Johann Joachim Winckelmanns Postulat von der „edlen Einfalt und stillen Größe“. Das haben wir uns angesehen. 12 Räume sind noch original ausgestattet. Im Schloss wurden modernste technische Errungenschaften verbaut: eine Wasserleitung durch das gesamte Bauwerk einschl. Feuerlöschreservoir unter dem Dach, Wandschränke und Klappbetten, je ein Aufzug für Speisen und für das Nachtgeschirr. Das Wörlitzer Gartenreich mit seinen Seen und Kanälen umfasst ein Gebiet von ca. 112 ha. Es lädt zum Bootfahren und Spazierengehen ein.
Auf dem Weg nach Frankfurt besuchten wir das Steinsburgmuseum in Römhild, zwischen Meiningen und Suhl gelegen. Das Museum ist eine Zweigstelle des Museums für Ur- und Frühgeschichte Thüringens und eine Außenstelle des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie. In der Dauerausstellung wurden uns die archäologischen Schätze der Region gezeigt. Kern der Ausstellung bildet die Kultur der hier in Südthüringen von der Steinzeit bis in das Mittelalter siedelnden Kelten , darunter Waffen, Werkzeuge, Schmuckstücke und Münzen aus der Gleichbergregion.
Dem Archäologiemuseum in Bad Königshofen statteten wir auch einen kurzen Besuch ab. Es ist eine Zweigstelle der Archäologischen Staatssammlung München. Untergebracht ist das Museum in einem 1693 errichteten Getreidespeicher. Grundlage der Ausstellung sind archäologische Funde, die hauptsächlich aus dem nordöstlichen Unterfranken stammen, darunter Werkzeuge, Gefäße aus Terrakotta, Fibeln und große Bernsteinketten.