12.06.2022

Kampanien-Tour 14. – 21. März 2022

Nach glücklicher Landung in Neapel und check-in in unserem Hotel begannen wir, zusammen mit Mario Becker und Pietro Melziade, am nächsten Tag die UNESCO-Weltkulturerbestätte Paestum mit ihren drei dorischen Tempeln zu besuchen. Gegründet wurde die Stadt unter dem Namen Poseidonia  um 600 v. Chr. Die fruchtbare Landschaft und der umfangreiche Handel führten innerhalb weniger Generationen zu Wohlstand, der im 6. und 5. Jh. v. Chr. durch den Bau großer dorischer Tempelanlagen, deren Ruinen bis heute erhalten sind, zum Ausdruck kommt:

Archaischer Hera-Tempel  ca. 540 v. Chr.  9x18 Säulen,

Athena Tempel ca. 510 v. Chr. früher auch der Ceres zugeschrieben  6x13 Säulen,

Poseidon Tempel ca. 450 v. Chr.  6x13 Säulen.

Der Tempel der Athena, eigentlich dorisch, weist Schmuckelemente auf, die in ionisches Gebälk gehören. In der Gegend um die drei dorischen Tempel ist ein Heroon angelegt.

(Heroon gr. Kultstätte eines Heros, häufig dessen vermutetes Grab) Das Heroon befindet sich in einem umfriedeten rechteckigen Bereich. In ihm liegt ein mit Dachziegelsteinen gedecktes Häuschen, eine Art Sarg, hat keinen Eingang. Entlang der inneren Wände standen sechs Hydrien, die normalerweise Wasser enthielten. Die Vasen enthielten aber Honig, der zum größten Teil heute noch in Klumpen nachweisbar ist.

Aus der Römerzeit haben sich öffentliche Bauwerke, ein kleines Amphitheater und die über 4km lange Stadtmauer mit vier großen Stadttoren erhalten. Um 500 n. Chr. begann das Gebiet zu verlanden und zu versumpfen, die Malaria hielt Einzug und die Bewohner siedelten in höher gelegene Gegenden um.

Erst im 18. Jh. wurde Paestum wieder entdeckt und somit zum begehrten Ziel der Wohlhabenden  - neben Pompeji und Herculaneum - auf deren „Grand Tour“. Goethe berichtete davon auf seiner Italienischen Reise im März 1787.

Der nächste Tag war voll  POMPEJI  gewidmet. Vor den Römern lebten hier Osker, Samniten, Griechen und Etrusker.  Durch den Ausbruch des Vesuv im Herbst 79 n. Chr. wurden Städte am Golf von Neapel wie Pompeji, Herculaneum, Oplontis und Stabiae verschüttet und somit der Nachwelt konserviert. Goethe hatte sich in seiner Italien- Reise zuerst mit den monumentalen Resten Roms beschäftigt. Da kam ihm die erst partiell ausgegrabene Provinzstadt zunächst enttäuschend vor. So schreibt er von der „Kleinheit der Häuser und Enge der Straßen dieser mumifizierten Stadt“.

Wir betraten Pompeji voller Neugier und diesmal mit nur ganz wenig Besuchern, durch das Noceraner Tor, sahen die große Palestra  und das gut erhaltene Amphitheater. Sogar die Stangen zur Befestigung des Sonnensegels (Velum) sind sichtbar. Entlang des Decumanus (west-östl.) der Via dell´Abbondanza bis zum Cardo (nord-südl.) zur Strada Stabiana nach links Richtung Hafen, befindet sich der Isis Tempel. Möglicherweise gehen einige Darstellungen auf zeitgenössischen Stichen, dieses ersten in Europa bekannt gewordenen römisch-ägyptischen Tempels, auf die Bühnenbilder zurück, die bei der Uraufführung von Mozarts Oper die Zauberflöte 1791 in Wien zu sehen waren. Das Forum Triangolare befindet sich in Reichweite. Zurück zur Via dell´Abbondanza der Hauptstraße mit den vielen Thermopoliae, Geschäften, Handwerksbetrieben steht das mächtige Eumachia-Gebäude mit Säulenportikus. Er war der Sitz der Tuchhändler, der wichtigsten und wohlhabendsten Zunft Pompejis. Einmal um sich selbst herumgedreht, stehen wir auf dem riesigen Forumsplatz mit dem Kapitol. Am gegenüberliegenden Platz sind öffentliche Bauten: Gerichtsgebäude, Tabularium und Curia. Der Bereich des Forums wird von einem Apollontempel gekrönt. Apollon war bis zur Gründung der Colonia die Hauptgottheit Pompejis. Im Bezirk des Apollontempels sind zwei Bronzestatuen aufgestellt; die des Apollon und der Diana aus dem späten 1. Jh. v. Chr. Die Originale befinden sich im Archäologischen Museum in Neapel.

Wir gehen am Forum entlang in nördlicher Richtung zur Via des Mercurio bis zur Via della Fortuna ein kleines Stück und befinden uns auf dem Anwesen der Case del Fauno. Lustig kommt uns die Bronzenachbildung des Faun entgegen, der auf dem Fußboden des in Buntmarmor gelegten Romben steht. Die Casa del Fauno ist das größte und vom Bauaufwand luxuriöseste Haus Pompejis. Einst war das Haus mit dem ins Museum nach Neapel verbrachten Original des riesigen Alexandermosaiks geschmückt. Aber auch die gezeigte  Kopie ist sehenswert. Auf der Via della Fortuna in südöstlicher Richtung bis zur Via dell´Abbondanza trifft man auf die größten Termen Pompejis, auf die Stabianer Thermen. Hier gibt es mehrere Baderäume, Männer und Frauen badeten getrennt. Die Thermen waren beheizt. Durch die eingestürzten Decken konnten wir in die Heizluftkammern blicken.

In der Nähe befindet sich eine Großbäckerei mit vielen Kornmühlen und einem gut erhaltenen Backofen. Auf der Via dell´Abbondanza in Richtung Sarno Tor in östlicher Richtung, kamen  wir an mehreren Caupona oder Thermopoliae vorbei, in denen die Gäste zu Trinken und warmes Essen kaufen konnten. Besonders hübsch ist die der Casa di Octavius Quartio, in der auch die neuesten Ausgrabungen liegen.

Wir verließen Pompeji in Richtung Porta di Ercolano auf der Gräberstraße. Hier haben Wohlhabende und Honoratioren in Inschriften mitgeteilt, welche Ämter sie innehatten. Vermögende Gewerbetreibende ließen keinen Zweifel an der Herkunft ihres Wohlstandes. In der Gestaltung der Gräber herrschte dabei das gleiche Konkurrenzdenken wie für das diesseitige Leben.

Die letzte Villa, die wir besuchten, war die Villa dei Misteri, mit ihren farbenfrohen Fresken.

Wir fuhren nach  Herculaneum, einem kleinen Vorort von Neapel. Er gilt in den Ausgrabungen als „kleine Filiale Pompejis“ und wurde ebenfalls durch den Ausbruch des Vesuv 79 n. Chr. verschüttet. Herculaneum gehörte seit 307 v. Chr. zum römischen Einflussbereich, war deutlich kleiner als Pompeji und Hafenstadt. Villenartige Luxusbauten gibt es in der Stadt nicht. Die antiken Ruinen sind mit einer bis zu 16 m hohen Schlammkruste bedeckt. Dies erschwert – neben der modernen Bebauung – weitere Ausgrabungen erheblich.  Erst 1980 fanden sich an dem antiken Strand in den Bootshäusern die sterblichen Reste von über 100 in Panik übereinandergestürzten Personen. Die ausgegrabenen Häuser, Teile der verkohlten Möbel und verbliebenen Fresken gaben uns einen ungefähren Eindruck des damaligen Wohnluxus der römischen Aristokratie. Im EOS Reisebericht der Exkursion Kampanien vom März 2015 und 2018 sind Beschreibungen über Herculaneum zu finden.

Südöstlich von Neapel, in der Nähe von Torre Annunziata, ist eine römische Kaiservilla freigelegt. Durch die Deutung der aufgefundenen Artefakte kamen die Ausgräber zu dem Schluss, dass es sich um die Villa Oplontis, der zweiten Ehefrau, von Kaiser Nero, Poppea, handelt. Die Villa steht auf einem überbauten Areal von 3000 m² hat ein Peristyl, Artrium, Gärten und Innenhöfe, Cubiculum und Räume für das Personal. Mit einem Wort: eine luxuriöse Villa nach 79. Dazu gehört ein Schwimmbecken mit traumhaften Maßen, was noch nicht vollends ausgegraben ist, weil darüber bereits die moderne Stadt aufgebaut wurde. Die Innenräume sind mit Fresken im 2. pompejanischen Stil nach Mau ausgemalt, deren Erhaltungszustand bemerkenswert ist; ebenso der der Wand- und Fußbodenmosaike.

Im Archäologischen Nationalmuseum von Neapel besuchten wir die Sammlung Farnese mit den Tyrannentötern Harmodius und Aristogeiton, eine Büste von Kaiser Hadrian, eine marmorne Darstellung des Ganymed als Mundschenk, wie er von Zeus in den Olymp erhoben wird, eine prächtige Marmorarbeit über den Farnesinischen Stier (Dirke Gruppe), die Herakles Statue und die Venus Kallipygos. In den oberen Stockwerken des Museums fanden wir qualitätvolle Bronzen aus der Villa dei Papiri. Ferner Mosaikarbeiten die mit winzigen Tesselae zu Bildern zusammengefügt wurden und das Highlight: die Schlachtenszene Alexander des Großen gegen Dareius. Diesmal wurde uns die Darstellung leider nur in Form eines Wandbehangs präsentiert, weil die andere Darstellungsform restauriert wird. Wir hatten aber bereits in Pompeji im Haus des Faun eine wunderbare Arbeit gesehen.

Hier fand zur Zeit unseres Besuches eine Sonderausstellung über Gladiatoren, deren Ausrüstung und Kampfesweise statt.

Ferner sind große Volutenkratere, Vasen und etwas qualitätvoller Goldschmuck ausgestellt.

Wir besuchten den Königspalast von Capodimonte. Erwurde 1738 auf Wunsch von Karl von Bourbon begonnen und liegt auf einer weiten Grünfläche mit wunderbarer Aussicht auf den Golf, die Stadt und den Vesuv. In den Sälen der „Nobeletage“ wurde eine der ältesten und reizvollsten Sammlungen Europas angelegt: Die von Elisabeth Farnese geerbte Kunst- und Antiquitätensammlung aus den Residenzstätten Parma, Piancenza und Rom wurden nach Neapel verlegt. Hier werden Glanzlichter der Malerei des 13. – 18. Jahrhunderts in den weitläufigen Sälen von Tizian, Caravaggio, Cranach und Holbein gezeigt. Zudem besitzt das Museum eine kostbare Porzellansammlung. Glas- und Keramikgeschirr sowie Skulpturen und dekoratives Kunsthandwerk sind ebenfalls vertreten.

Pozzuoli (in römischer Zeit hieß die Stadt „Puteoli“), wurde 194 v. Chr. römische Kolonie und war wichtig für die Getreidelieferung zur Versorgung Roms, die per Schiff via Alexandria aus Ägypten kam und hier anlandete. Die eindrucksvollste antike Ruine in Pozzuoli ist das Amphitheater, das wir besuchten. Es wurde um 70 n. Chr. unter Vespasian erbaut und besaß einst 39 Zuschauerränge für ca. 40.000 Personen. Gut vorstellbar ist das Treiben in den erhaltenen und begehbaren Gängen und Kammern unter der Arena. Hier fanden Raubtierkäfige und Gladiatorenräume Platz.

In der Nähe des Hafens sahen wir die Überreste des Macellum , des Fleisch- und Fischmarktes von ehemals Puteoli. Auffallend sind drei große Marmorsäulen mit ihren Muschel- und Sinterspuren, die einen anschaulichen Pegel des schwankenden Grundwasserspiegels in diesem Gelände bilden. Dieses Phänomen steht im Zusammenhang mit dem Vulkanismus und besteht aus einer periodischen Absenkung oder Erhöhung des Bodenniveaus. Es wird Brayseismus genannt.

Baia, westlich von Neapel gelegen, war zu römischer Zeit ein berühmter Kur- und Ferienort. Für Angehörige des Kaiserhauses und der Aristokratie war es eine Prestigefrage, hier eine Villa sein Eigen zu nennen. Auf über 6 ha sind Repräsentationssäle, Teiche und überkuppelte Elemente in den steilen Hang hineinterrassiert. Man besuchte die großen Thermalbäder und pflegte auf den Landsitzen rund um Baia den typischen Müßiggang der römischen Oberschicht. Vom 2. Jh. v. Chr. bis zum 4. Jh. n. Chr. war das Gebiet in Betrieb. Während dieser Zeit wurde neu gebaut, restauriert und abgerissen. Ein Teil des Mauerwerks befindet sich unterhalb des Meeres und ist nicht ausgegraben.

Beeindruckend war unser Besuch der Piscina Mirabilis, einer antiken Zisternenanlage mit einem Fassungsvermögen bis zu 13.000 m³ Wasser, die ausschließlich der in Capo di Miseno stationierten Kriegsflotte, der classis praetoria Misenenis diente und durch einen nahegelegenen Aquädukt gespeist wurde. Plinius d.Ä. war hier Flottenadmiral als der Vesuv 79 n. Chr. ausbrach und die umliegenden Städte verschüttete.

Der letzte Punkt unserer Archäologischen Tour war der Besuch der Grotte der Sibylle von Cumae.   Das Sibyllen-Orakel ist ein prophetisches Weissagungsorakel in Gestalt einer alten Frau, die aus einer Grotte heraus, meist unheilvolle Visionen verkündet. Diese wurden dann in den sybillinischen Büchern als Handlungsanleitungen aufgeschrieben. Leider sind diese Bücher verlorengegangen.

 

Endlich konnten wir die Exkursion, auf die wir uns schon lange gefreut haben und die durch die Pandemie immer wieder verschoben wurde, antreten.

Rückblickend ist zu sagen, dass die Tour unsere Vorstellungen weit übertroffen hat und wir dankbar sind, mitgereist zu sein.